Dieser Stadtpalast befindet sich im Stadtzentrum des andalusischen Sevilla und ist ein typischer Bau für diese Zeit. Begonnen haben den Bau Pedro Enríquez de Quiñones und seine Ehefrau Catalina de Ribera im ausgehenden 15. Jahrhundert, beendet wurde er dann von deren Sohn Fadique Enríquez de Ribera dem ersten Herzog von Tarifa, als dieser von seiner Pilgerreise (1519) nach Jerusalem zurückkehrte. Wie es heißt, hat der Herzog dort den Abstand zwischen dem Palast des Pontius Pilatus und Golgota (, dem Ort, wo Jesus ans Kreuz geschlagen worden sei,) gemessen. Zurück in Sevilla, hat er festgestellt, dass die Entfernung zwischen dem Stadtpalast der Familie und einem Cruz del Campo in Sevilla entspricht. Das Cruz del Campo ist ein Kreuz oder kleiner Tempel am Wegrand, heute würde man es wohl am ehesten mit einer Autobahnkirche vergleichen können.
Wie auch immer, diese Tatsache hat den Herzog angeblich überrascht, aber was wichtiger ist, er hatte einen guten Einfall. Er hat einen Kreuzweg mit 12 Stationen initiiert. Und die erste Station ist, wer hätte es gedacht, die Kapelle des Familienpalasts, der nun im Volksmund Casa Pilatos heißt. Jedes Jahr gibt es einen Umzug, zu dem eine Jesusstatue vom Casa Pilatos aus die 12 Stationen passiert, deren Stationen auch die Namen des Originalweges in Jerusalem tragen. Der Volksglaube besagt seitdem, dass der Palast eine Kopie des Palastes von Pilatus sei. Wobei der Palast in Sevilla ein typischer Palast dieser Region und Zeit ist.
Es war sicher ein gelungener Trick, den Palast im Nachhinein mit Jesus in Verbindung zu bringen. Wobei es mir fragwürdig erscheint, dass so kurz nach der Reconquista ein Mann mit arabisch anmutendem Vornamen eine Pilgerfahrt nach Jerusalem unternimmt. Dort sich mit demjenigen auseinandersetzt, der die Hinrichtung des christlichen Heilands angeordnet hat und dies dann noch erfolgreich in seiner Heimat, wo gerade die Inquisition den Glauben hinterfragt und alle, die nicht beweisen können wirkliche Christen zu sein, hinrichten lassen, propagiert. Das zeugt einerseits von Mut und Geschick, andererseits lässt es große Ignoranz vermuten. Fadique Enríquez de Ribera präsentiert sich als gläubiger Christ, der seinen Glauben nach außen trägt und das alljährlich in einer großen Prozession, die bis heute abgehalten werden, bekräftigt. Er gibt seinen Mitmenschen die Möglichkeit das mit ihm zu zelebrieren. Aber wer schon einmal eine dieser Prozessionen in Sevilla miterlebt hat, der weiß, es ist der planke Hohn und zeugt von Scheinheiligkeit.
Doch zurück zu dem Palast. Er ist wie damals üblich von maurischen Baumeistern errichtet, der Stil ist eine Mischung aus arabischer Zierkunst und italienischen Elementen, die bald barocke Formen annehmen wird. Im Laufe der Zeit haben natürlich Umbauarbeiten den Palast etwas verändert, so sind ein Teil der arabischen Holzdecken gegen andere getauscht worden. Es gibt aber nach wie vor die Gipsverzierungen, die bemalten Fliesen, die Holzarbeiten und vieles mehr, das eindeutig arabisch oder maurisch ist. So zum Beispiel die Trennung zwischen Sommer- und Winterwohnbereich. Im Sommer wohnte man im Erdgeschoß, dass mit Marmorböden und gefliesten Wänden ausgekleidet war, im Winter zog man in den ersten Stock, der mit Holz geziert war und viele Teppiche und Wandteppiche enthielt. Das Raumklima je nach Jahreszeit zu beeinflussen ist auch heute noch wichtig, aber dank Klimaanlagen und Heizungen leichter. Dennoch erinnert der Palast mehr an die Alhambra, die Reales Alcazares (arabischer Königspalast) in Sevilla oder andere arabische Bauten.
Auch der Grundriss ist an den maurischer Architektur angelehnt. Es gibt den Eingangsbereich, den Patio, das ist ein Innenhof und Gärten, die mit Wasserläufen und Brunnen ausgestattet sind, um ein Mikroklima zu schaffen, das ein angenehmes Leben in dem extremen Klima zu ermöglichen.
Warum der Palast von Mauren gebaut wurde ist schnell erzählt. Es war schlicht nicht anders möglich. Die „Christen“ hatten nicht das nötige Fachwissen und benötigten sowohl die Mauren als auch die Juden, die sie ja eigentlich, weil sie ungläubig seien, des Landes verwiesen hatten. Doch in vielen Bereichen des täglichen und öffentlichen Lebens waren sie nötig. Ohne Mauren gab es keine Landwirtschaft, keine Bauwerke, keine Verwaltung, keine Philosophie… keine Kultur. Dementsprechend hatte man ihnen die Konvertierung nahegelegt. Viele haben das für sich in Anspruch genommen, wie auch vorher viele Christen zum Islam übergetreten waren, um in der Gesellschaft Vorteile zu genießen.
Gestern habe ich ihn mit Frauen des American Women’s Club besucht. Dienstags treffen wir uns meist zu einem inoffiziellen Kaffeetrinken, das mit kleinen Erkundungen verbunden wird. Gestern waren wir in eben diesem Palast. Es war sehr schön ihn zu besichtigen und auch die Mischung der verschiedenen Einrichtungsstile zu bewundern. Die Besitzerin, die Herzogin von Medinaceli, hat eine Stiftung gegründet, um den Besitz erhalten zu können und den Palast der Stiftung überschrieben. Das ist eine moderne Entscheidung, welche die Erhaltung des Palastes gewährleistet und ihn der Öffentlichkeit öffnet. Der Stiftung und Familie ist an dem Erhalt gelegen, weshalb er wie schon von seinem Erbauer werbewirksam vermarktet wird. Der Palast war mehrfach Drehort für Filme wie Lawrence von Arabien, Mission Impossible und Knight and Day. Dazu ist er jeden Tag zu besichtigen, am Dienstag ist der Eintritt für Europäer frei. Das haben wir genutzt nicht ohne uns Gedanken über Andalusien und seine Geschichte zu machen.