Wochenende, das heißt Auszeit vom Alltag – zumindest für viele Menschen. Selbst bei freier Zeiteinteilung als Freischaffender oder Selbstständiger, wird diese Einteilung der Woche meist eingehalten. Warum das so ist, soll hier nicht erörtert werden, sondern die kulturelle Geographie von Vejer de la Frontera, die ich am Wochenende erlebt habe. Am Wochenende unternehme ich gerne Ausflüge, kleine Exkursionen in die Natur, Städte oder eben die Umgebung. Letztes Wochenende ging es Richtung Meer und Vejer de la Frontera war ein Ziel.
Ich bin im spanischen Andalusien, genauer gesagt, ich wohne in der Altstadt von Sevilla, die in der Provinz Sevilla liegt. Südlich von Sevilla befindet sich die Provinz Cádiz, in dieser andalusischen Provinz befinden sich viele Strände, die man von Sevilla aus besucht, aber es gibt auch andere Landschaften. Vejer de la Frontera ist in der Provinz Cádiz, jedoch nicht am Meer, sondern etwas Richtung Landesinneres auf einem Berg positioniert. Der Ort ist einer von vielen, die im Reiseführer mit ‚weißes Dorf’ beschrieben wird.
Vejer de la Frontera habe ich schon früher besucht, es war ein verschlafenes Nest, in dem nicht viel passierte, aber es war klar, dass der Ort durchaus eine Geschichte hat. Allein der Name bezeugt dies. Der Anhang ‚de la Frontera’ bedeutet, dass es sich um einen ehemaligen Grenzort handelt. Jeder, der sich ein klein wenig mit der spanischen Geschichte auskennt, wird an die Reconquista, das heißt die Zeit denken, während der die Christen alle Andersgläubigen aus dem Land vertrieben haben, denken. Damals gehörte der Ort zur arabischen Welt, wie er vorher schon zu anderen gehörte. In Vejer de la Frontera kann man noch viele Spuren von den Mauren, Arabern und Juden sehen, die es gegeben hat. Da ist, zum Beispiel, eine Kirche, die einst eine Synagoge gewesen ist, es gibt ein ehemaliges jüdisches Viertel und natürlich auch arabische Bauwerke und Überreste. Die maurische Kultur wirkt bis heute nach, ihre Spuren möchte ich aber nicht hier, sondern in einem gesonderten Beitrag erläutern.
Wie auch immer, jetzt ist Vejer de la Frontera ein typisches und entzückendes weißes Dorf, das vom Tourismus entdeckt wird. Es gibt Bars, Kneipen, Restaurants, Hotels und vieles mehr, um Touristen einen schönen Aufenthalt zu garantieren. An der ehemaligen Stierkampfarena, der heutigen Plaza de España außerhalb der ehemaligen Stadtmauern, liegt eine Creperia mit dem Namen La Chozita. Das ist ein wunderbares französisches Restaurant, das den neuen Geist des Ortes wiederspiegelt.
La Chozita befindet sich in einem Haus und hat Tische vor der Creperie, es gibt tolle französische Küche, die französischen Betreiber haben schon in verschiedenen Ländern und Kulturen gelebt, was den fremden Einfluss doppelt unterstreicht. Am Haus gibt es Balkons und auf einem steht die Figur eines typischen französischen Kolonialherrn mit Tropenhelm und Abenteuer Outfit neben einer Palme. Die Palme ist ein typisches Attribut, das man bei Häusern unter arabischem oder maurischem Besitz findet.
Dieses Bild ist für mich der Inbegriff für französischen Kolonialismus, aber auch für Andalusien. Mein erstes Mal Andalusien hat mich recht unvorbereitet getroffen, ich wusste nicht viel über die Gegend und damals hat sich der leichtfertige Spruch zum Denkspruch erhoben: „Süd-Süd-Frankreich.“ Ich habe Andalusien ehr als eine Kolonie Frankreichs empfunden und hätte es geographisch ehr im Norden Afrikas angesiedelt. Der Norden Afrikas ist für mich gleichbedeutend mit ehemals französische Kolonien. Es ist sicher etwas abwertend, beschreibt aber die arabisch bzw. maurisch geprägte Gesellschaft.
Das Haus von La Chozita hat aber noch eine weitere Besonderheit, gleich beim Betreten fällt eine runde Glasscheibe auf, die ein tiefes Loch verdeckt. Dabei handelt es sich um einen Brunnen, was es mit dem Brunnen genau auf sich hat, das weiß ich nicht, aber da das Haus in die Stadtmauer gebaut ist und die Juden früher in oder an der Stadtmauer ihre Häuser bauten, liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei diesem Brunnen nicht um die Trinkwasserversorgung handelt, sondern vielleicht um eine Mikwe.
Vejer de la Frontera mag verschlafen wirken, ist aber ein Ziel vieler Durchreisender, Tagestouristen, Aussteiger, Suchender und Fremder, die sich dort auf der Suche nach einer Wahlheimat niederlassen. Der Ort war Grenzort, hat vielen verschiedenen Einflüssen und Menschen ein Heim geboten und war nach der Reconquista in Vergessenheit geraten, aber nun, wird es wiederentdeckt von Menschen, Abenteurern und Eroberern, die nach der Herausforderung, der fremden Kultur oder anderen Dingen suchen. Dadurch wird Vejer de la Frontera zu einem Ort der Begegnung mit den verschiedensten Kulturen. Da sind einerseits die Kulturen, die es bis heute geprägt haben und jetzt kommen weitere kulturelle Einflüsse durch die neuen Besucher und Bewohner hinzu.
Der Ort selbst bleibt da wo er ist, aber kulturell wandert er durch die Welt.