Als visuell orientierte Menschen tun wir uns in der Isolation schwer. Wir mögen es schön, gemütlich, praktisch, sportlich, elegant oder auch klassisch. Jeder Mensch hat so seinen eigenen Stil. Doch die unterschiedlichen Stile existieren nicht im leeren Raum, sie erfordern einen Resonanzraum. Es geht darum, wie wir gesehen werden und auch wie wir gesehen werden wollen.
Vor der Corona-Pandemie hatten wir eine für uns recht klare Situation. Sicher war vieles nicht perfekt, aber wir wussten, woran wir waren. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und so hatten wir unseren Alltag organisiert, da fand die Arbeit und ein großer Teil der Freizeit außer Haus statt. Der Feierabend wurde entweder zuhause oder außer Haus verbracht. Wir hatten uns Routinen geschaffen.
Doch seit nunmehr mehr als einem Jahr befinden wir uns im Ausnahmezustand. Dieser Ausnahmezustand stellt eine Herausforderung dar und geht oft mit vielfältigen Unsicherheit einher. Diese Reaktion ist normal. Daraus folgern wir, dass eine neue Situation einen neuen Look erfordert.
Anfangs haben alle geputzt und nachdem dann alles sauber, rein und keimfrei war, wurden Möbel gerückt, ein provisorisches Büro geschaffen. Unsere Umgebung verwandelte sich, was vorher nur dem entspannten Feierabend, der Familie und Freunden vorenthalten war, wurde nun ein Mulktifunktionsraum: Küche, Büro, Schule, Konferenzraum, Sportstudio, Telefonzentrale und wer weiß nicht was noch…
Aber zum neuen Look gehört neben der Umgebung vor allem die eigene Erscheinung. Unser Erscheinungsbild war vor der Corona-Pandemie so unterschiedlich wie die Räume, die sich nun alle in einem kleinen Bereich finden. Wir unterschieden zwischen Kleidung, die wir zur Arbeit trugen und solcher für die Freizeit, Sport, Entspannung, Urlaub. Anfangs haben wir uns vielleicht noch für den Freizeitlook entschieden, das war legere genug für Zuhause, dann haben wir die Tage in Sportbekleidung verbracht, dann kamen vermutlich kuriose nicht zusammenpassende Kreationen. Wir liessen uns mehr und mehr gehen, entwickelten einen Gammellook.
Darauf folgte der Aufschrei: Hilfe, ich verlottere!
Ja, vor der Corona-Pandemie mit Homeoffice, Ausgangssperren, Lockdown… trugen wir für bestimmte Anlässe, Tätigkeiten und Gefühlslagen unterschiedliche Kleidung. Wir wussten zudem auch, was man trägt, doch jetzt? Die Jogginghose wurde zum Sinnbild der neuen Zeit. Karl Lagerfeld hat vor Jahren, als noch niemand von Covid19 und der Pandemie mit dem Ausnahmezustand wusste, geäußert: „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“ Wie wahr! Wir befinden uns im Ausnahmezustand, unsere Handlungsmöglichkeiten sind extrem beschränkt, aber das heißt nicht, dass wir uns gehen lassen dürfen.