Eine leere Ausstellung

Wie allgemein bekannt ist, bin ich Mitglied im American Women’s Club of Seville. Was das mit einem Museum zu tun hat? Nun ja, kulturelle Aktivitäten sind ein Angebot und Teil des Klublebens. Jeden Dienstag treffen sich einige der Frauen und unternehmen etwas. Die Dienstage sind das Beste am AWC.

Heute waren wir im Museum. Wir haben das sogenannte Museum der Inquisition besucht. Das Museum hat erst dieses Jahr eröffnet. Es ist überall gelobt worden und das wollten wir selbst sehen. Es handelt sich um eine Dauerausstellung, die „Un marco para la reflexión – Castillo San Jorge“ heißt. Das hört sich vielversprechend an! Aber um es gleich vorwegzunehmen, ich bin enttäuscht.

Obwohl es um die Inquisition ging, habe ich nicht viel über die Inquisition erfahren. Um meine Enttäuschung verständlich zu machen, werde ich kurz die Ausstellung beschreiben. Sie hat sechs Stationen, den Saal der Gefühle, die Barbakane, einen thematischen Rundgang, eine Multimedia Show, Gedenktafeln für historische Figuren und eine Wand der Besinnung. An dieser Unterteilung wird klar, dass sich die Macher etwas bei der Ausstellung gedacht haben und dementsprechend groß waren meine Erwartungen.

Im Saal der Gefühle sollen die Themen Werturteil, Machtmissbrauch und Opfer ins Bewusstsein des Betrachters gebracht werden. Es ist ein netter Gedanke mit Empathie und Mitgefühl die Museumsbesucher in die Geschichte ziehen zu wollen. Leider funktionierte das nur sehr bedingt bis gar nicht. Ich konnte mich aufgrund der Bilder, die verschiedene Bildschirme präsentiert haben nicht in die Lage der von der Inquisition Angeklagten hineinversetzen. Gut, das bin ich, also weiter im Text.

Danach ging es zur Barbakane, dort wurde auf verschiedenen Tafeln Bilder und Informationen der Burganlage San Jorge dargelegt. Das war durchaus interessant und informativ, aber zur Inquisition selbst war kaum Information enthalten. Es ist ein sehr knapper geschichtlicher Abriss der Burggeschichte, ohne Schwerpunkt.

Darauf folgt ein Rundgang durch die archäologischen Reste, das heißt, die Fundamente der Burg. Es gibt an verschiedenen Punkten Tafeln, die zeigen, wie ein Haus damals aussah, wer darin wohnte und gut. Es wird gesagt, dass es ein Haus des Inquisitors gab. Aber, damit ist nicht wirklich viel gesagt.

In diesem Teil der Ausstellung gibt es eine Art Leinwand, auf der man einen konstruierten Fall der Inquisition sehen kann, wieder soweit reduziert, dass kaum Informationen daraus zu ziehen sind. Unklar bleibt bei der Oberflächlichkeit, warum man nicht auf ein reales Beispiel zurückgegriffen hat. Es ist echt traurig zu sehen, wie eine Chance nach der anderen verstreicht, ohne dass das Thema wirklich angesprochen wird. In dem Filmchen zur Geschichte der Marcela wird Folter thematisiert und auch, dass sie unschuldig gestand. Trotzdem, es gibt keine kritische Auseinandersetzung, keine Zahlen, keine vertiefende Information oder Fragen. Nichts.

Als nächste Station der Ausstellung kommen 14 Tafeln, die an historische Figuren aus der Zeit der Inquisition erinnern. 14 Personen aus 300 Jahren, das ist nicht viel und die biographischen Angaben führen auch nicht wirklich dazu, dass der Besucher etwas von der Zeit, dem Geist, den Menschen oder der Inquisition als Institution erfährt.

Die letzte Station der Ausstellung ist die sogenannte Wand der Besinnung. Hier stehen einzelne Artikel der Menschenrechtserklärung in Zusammenhang mit den drei Grundkonzepten der Ausstellung – moralische Vorverurteilung, Machtmissbrauch und Opfer – auf Tafeln geschrieben.

Das Ziel der Ausstellung soll es sein zum Nachdenken anzuregen zudem will sie dazu aufrufen die Menschenrechte zu bewahren. Wie gesagt, der Gedanke ist gut, aber die Umsetzung ist selbst für Historiker schwer nachvollziehbar, gerade weil es weder eine Dokumentation der Inquisition noch der Geschichte des Gebäudes während der Inquisition gibt.

Es ist schade zu sehen, wie eine so gute Chance verstreicht ohne genutzt zu werden. Denn mal ehrlich, die Inquisition ist ein interessantes Phänomen, das man von unzähligen Perspektiven aus betrachten könnte: Soziologie, Theologie, Philosophie, Geschichte, Gruppendynamik, Macht und Machtmissbrauch wie auch viele weitere Perspektiven sind denkbar. Leere ist vermutlich die einzige Perspektive, die erfolglos bleiben muss. Schade, denn die Geschichte Spaniens ist bis heute eng mit den Folgen der Inquisition verbunden.

Ein interessanter Punkt, den eine Katalanin, sie ist Mitglied des Klubs, im Zusammenhang mit der Inquisition und Sevilla genannt hat, ist, dass die Menschen hier bis heute niemanden in ihre Wohnungen oder ihr Privatleben lassen; oberflächlich und auf der Strasse sind alle beste Freunde, aber das kann und wird schnell umschlagen, wenn eine Person die Gruppe verlässt, selbst wenn es nur vorübergehend sei. Vielleicht ist die Ausstellung ein weiteres Symptom dafür, dass die Folgen bis heute spürbar sind und die Oberflächlichkeit so sehr Teil der Gesellschaft ist, dass sie selbst vor dem Museum keinen Halt macht.

Es wäre wirklich wünschenswert, dass die Ausstellung überarbeitet wird und dadurch konkreter und fassbarer würde. Es sollten auch Führungen angeboten werden, die Verbindungen aufzeigen, Beispiele geben und eine wirkliche Verbindung zur Aktualität schaffen. Denn so wie es ist, wird keinerlei Bildungsauftrag, den ein Museum ja immer hat erfüllt. Und auch der eigene Anspruch zu zeigen, wie die Inquisition und die Burg San Jorge funktionierte, wird nicht erfüllt. Schade, schade, schade.

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